Kurzbeschreibung
kostenlos
Bei dem Tool Viellese-Verfahren handelt es sich um ein unterrichtsintegriertes Konzept zur Förderung der Lesekompetenz für Schülerinnen und Schüler ab dem zweiten Schuljahr. Unter dem Begriff werden verschiedene Verfahren vereint, bei denen freie Lesezeiten fest in die Unterrichtszeit integriert werden. In diesen Zeiten lesen die Schülerinnen und Schüler selbst gewählte Literatur still für sich allein. Das Tool ist für alle Klassenstufen ab dem zweiten Schuljahr geeignet. Es beruht auf der These, dass man das Lesen durch häufiges Lesen besser lernt.
Qualitätscheck: (Für Erläuterungen mit der Maus auf die Zahlen und Punkte zeigen.)
Zielbereich | Altersgruppe | Durchführbarkeit | Theoretische Fundierung | Wirksamkeit |
---|---|---|---|---|
0 | 7 bis 17** |
** Subgruppe: für durchschnittliche / gute Leserinnen und Leser geeignet. Nicht geeignet für schwache Leserinnen und Leser
sehr empfehlenswert* | empfehlenswert* | weniger empfehlenswert*
*aus wissenschaftlicher Sicht
Letzte inhaltliche Bearbeitung/Prüfung am: 26.08.2024
Mit dem Förderkonzept Viellese-Verfahren wird das Ziel verfolgt, die Lesekompetenz der Schülerinnen und Schüler dadurch zu verbessern, dass sie regelmäßig und konzentriert eine Lektüre lesen, die ihren Interessen entspricht. Diese Lektüre wird im Unterricht nicht weiter behandelt und kann – je nach Umsetzung des Konzepts – aus den unterschiedlichsten Bereichen kommen (Prosa, Sachtexte, Comics etc.). Das Tool kann in den Modulen P3 „Diagnose und Förderung der Leseflüssigkeit und ihrer Voraussetzungen“, P4 „Diagnose und Förderung des Leseverständnisses“ und S1 „Diagnose und Förderung der Leseflüssigkeit“ eingesetzt werden. Auf Mehrsprachigkeit wird nicht explizit eingegangen.
Mit dem Tool Viellese-Verfahren, das ab dem zweiten Schuljahr eingesetzt werden kann, soll die Lesekompetenz von Schülerinnen und Schülern verbessert werden. Die Verbesserung der Lesekompetenz ist dabei ein „Nebeneffekt“ des häufigen Lesens (Rosebrock & Nix, 2004). Schülerinnen und Schüler, die aus eigenem Antrieb selten lesen oder wenig Möglichkeiten dazu haben, werden auf diesem Weg verpflichtet, sich konzentriert über einen vorgegebenen Zeitraum mit einer von ihnen ausgewählten Literatur zu beschäftigen. Eine Kontrolle, ob die Kinder tatsächlich lesen, erfolgt jedoch nicht. Die Annahme hinter diesem Konzept ist die, dass durch häufigeres Lesen die Leseflüssigkeit steigt, was zu einer Erhöhung der Motivation und das wiederum zu einer aus eigenem Antrieb initiierten Lesepraxis führt. Leseschwachen Schülerinnen und Schülern kann somit der selbstverantwortliche Umgang mit Literatur, der in vielen Bereichen des schulischen Unterrichts erforderlich ist, nahegebracht werden.
In einer festgelegten Lesezeit, die in der Unterrichtszeit stattfindet und deren Dauer und Frequenz vom Lehrer vorgegeben wird, lesen die Schülerinnen und Schüler frei wählbare, ihrem Interesse entsprechende Literatur. Die Inhalte des Gelesenen werden im Unterricht nicht behandelt, sie werden also nicht zum Gegenstand des Unterrichtsgeschehens. Das parallele Lesen während der dafür vorgesehenen Zeit ist für alle Schülerinnen und Schüler verpflichtend, Gespräche zwischen den Schülern sollen während der Lesezeit nicht stattfinden.
Den Schülerinnen und Schülern sollte eine vielfältige Auswahl an Büchern und Texten zur Verfügung gestellt werden, aus denen sie frei auswählen dürfen. Je nach Umsetzung des Konzepts ist es ebenfalls möglich, die Schülerinnen und Schüler zu ermutigen, eigene Literatur einzubringen. Für die Lesezeit wird ein ruhiger Raum benötigt. In der Regel ist der Klassenraum dafür ausreichend.
a) theoretische Fundierung
Zu den Viellese-Verfahren liegt keine explizit formulierte theoretische Fundierung vor. Es besteht die Annahme, dass die Lesekompetenz unabhängig von der Qualität der zu lesenden Texte durch den ausgelösten Lesevorgang verbessert wird. Dies geschieht, indem „sich durch eine Steigerung der Lektüredosis beiläufig der (Sicht-)Wortschatz der Schüler vergrößert, damit die Lesegeschwindigkeit zunimmt und das Weltwissen angereichert wird“ (Möller & Schieferle, 2004, S. 121f.). Bereits seit den 1970er Jahren stellte im angloamerikanischen Raum das freie Lesen einen festen Bestandteil im Schulunterricht dar und ist dort unter dem Begriff „sustained silent reading“ (SSR) bekannt. In Deutschland entwickelte Bamberger ein Viellese-Verfahren, dem er den Titel „Leseolympiade“ gab (Bamberger, 2000). Dieses unterscheidet sich von dem SSR darin, dass das Lesen nicht in der Unterrichtszeit stattfindet. Die Kinder einer Klasse werden animiert, pro Woche mindestens ein Buch zu lesen und zu bewerten. Eine Ehrung erhält, wer am Ende eines bestimmten Zeitraums die meisten Bücher gelesen hat. Etwa einmal pro Monat misst die Lehrerin bzw. der Lehrer mit einer Stoppuhr die Lesegeschwindigkeit jedes Kindes und kontrolliert anhand von Fragen das Leseverständnis. Nach Bambergers Befunden verbessern sich die Lesegeschwindigkeit und damit auch die Lesefreude rasch.
b) empirische Fundierung
Für die Wirksamkeit des Viellese-Verfahrens liegt keine empirische Fundierung vor. Rosebrock und Nix schreiben in ihrem Buch „Grundlagen der Lesedidaktik“, dass „die bisherige empirische Befundlage häufig so interpretiert wird, dass Viellesen auch eine Verbesserung der Lesekompetenz insgesamt bewirkt“ (Rosebrock und Nix, 2013, S. 46, 47). Hiervon auszunehmen sind scheinbar jedoch viele der schwachen Leserinnen und Leser. Freies, selbstorganisiertes Lesen und die Aufrechterhaltung der Motivation über einen längeren Zeitraum überfordert sie, so dass dieser Ansatz der Leseförderung bei ihnen nicht zum Tragen kommt. Für sie sind Vielleseverfahren somit nicht das geeignete Mittel zur Förderung der Leseflüssigkeit (Rosebrock, Nix, Rieckmann & Gold, 2011).
Alter: 7; 8; 9; 10; 11; 12; 13; 14; 15; 16; 17
Klassenstufe: 2; 3; 4; 5; 6; 7; 8; 9; 10; Sek II
Bamberger, R. (2000). Erfolgreiche Leseerziehung in Theorie und Praxis. Mit besonderer Berücksichtigung des Projekts „Leistungs- und Motivationssteigerung im Lesen und Lernen unter dem Motto Lese- und Lernolympiade“. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengeren.
Möller, J. & Schiefele, U. (2004). Motivationale Grundlagen der Lesekompetenz. In U. Schiefele, C. Artelt, W. Schneider & P. Stanat (Hrsg.), Struktur, Entwicklung und Förderung von Lesekompetenz. Vertiefende Analysen im Rahmen von PISA 2000 (S. 101-124). Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.
Rosebrock, C. & Nix, D. (2014). Grundlagen der Lesedidaktik und der systematischen schulischen Leseförderung (7. überarb. u. erw. Aufl.). Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren.
Rosebrock, C. & Nix, D. (2013). Grundlagen der Lesedidaktik und der systematischen schulischen Leseförderung (6. unveränderte Aufl.). Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengeren.
Rosebrock, C., Nix, D., Rieckmann, C. & Gold, A. (2011). Leseflüssigkeit fördern. Lautleseverfahren für die Primar- und Sekundarstufe. Seelze: Klett Kallmeyer.
Letzte Änderung am: 09.09.2024