Lautes Denken (Thinking aloud) zur Vermittlung von Lesestrategien

FörderkonzeptPrimarstufeÜbergang Primar-/SekundarstufeSekundarstufe

Kurzbeschreibung

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Beim Förder-Tool Lautes Denken handelt es sich um eine Methode zur Vermittlung verschiedener Lesestrategien. Die Methode kann in der Primar- und Sekundarstufe ab Klasse 3 bis zur Sekundarstufe II in verschiedenen Schulformen genutzt werden. Beim Lauten Denken verbalisiert die Lehrkraft anhand eines Beispieltextes laut vor der Klasse, welche gedanklichen Prozesse bei ihr während des Lesens ablaufen und welche Strategien sie nutzt, um sich den Inhalt des Textes zu erschließen. So werden den Schülerinnen und Schülern verschiedene Lesestrategien vorgestellt und sie erfahren, wie diese zielführend angewendet werden können.

Qualitätscheck als Förder-Tool:
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Zielbereich Altersgruppe Durchführbarkeit Theoretische Fundierung Wirksamkeit
5,12 8 bis 17 grüner Punkt grüner Punkt blauer Punkt

grüner Punkt sehr empfehlenswert* | gelber Punkt empfehlenswert* | blauer Punkt weniger empfehlenswert*

*aus wissenschaftlicher Sicht

Letzte inhaltliche Bearbeitung/Prüfung am: 10.06.2024

Welches Ziel hat das Tool?

Die Methode Lautes Denken dient der Förderung des Leseverständnisses, indem den Schülerinnen und Schülern verschiedene texterschließende Lesestrategien vorgestellt werden. Das Tool richtet sich an Kinder und Jugendliche zwischen 8 und 18 Jahren in den Klassen 3 bis 13 in allen Schulformen. Im Rahmen der Förderung lernen die Schülerinnen und Schüler verschiedene Lesestrategien kennen und erfahren, wie diese systematisch und zielgerichtet angewendet werden können. Das Tool kann von der Lehrkraft im Rahmen des regulären Deutschunterrichts mit der gesamten Klasse eingesetzt werden. Alternativ ist auch eine Anwendung des Tools in Kleingruppen denkbar. Im Primarbereich kann das Laute Denken im Modul P 4 „Diagnose und Förderung des Leseverständnisses“ zum Einsatz kommen. In der Sekundarstufe eignet sich das Tool für den Einsatz in den Modulen S 2 „Lese- und Schreibstrategien im Verbund vermitteln“ und S 3 „Selbstreguliertes Lesen und Schreiben“.

Für welches Vorhaben kann das Tool eingesetzt werden?

Das Fördertool Lautes Denken dient der Vermittlung unterschiedlicher Lesestrategien. Indem die Lehrperson an einem Text beispielhaft verbalisiert, was sie beim Lesen denkt und tut, lernen ihre Schülerinnen und Schüler , wie man Probleme löst, Strategien anwendet und Fehler beim Erschließen von Texten behebt. Die Lehrkraft zeigt durch die Verbalisierung ihrer Gedanken und ihrer Vorgehensweise beim Lesen, welche gedanklichen Prozesse während der Bearbeitung des Textes ablaufen. Auf diese Weise zeigt sie ihren Schülerinnen und Schülern, wie sie kompetent vorgehen können, um einen Text sinnerfassend zu lesen. Die Schülerinnen und Schüler haben so die Möglichkeit, eigene Strategien zu entwickeln und diese selbst anzuwenden.

Das Laute Denken kann als Impuls nicht nur von der Lehrkraft ausgehen. Denkbar ist auch eine Anwendung des Tools in Kleingruppen oder im Tandem. So hilft das Tool auch leseschwächeren Schülerinnen und Schülern, sich die Strategien lesestärkerer Schülerinnen und Schüler anzueignen. Insgesamt soll die Beschäftigung mit den Strategien die Schülerinnen und Schüler langfristig zur aktiven und eigenständigen Auseinandersetzung mit geschriebenen Texten befähigen und so ein kompetentes sowie erfolgreiches Leseverhalten fördern. Mehrsprachigkeit wird im Tool nicht explizit berücksichtigt.

Das Tool kann grundsätzlich auch für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache eingesetzt werden. Bei diesen Kindern ist es jedoch angezeigt, sie in zusätzlichen, kleineren Gruppen entsprechend ihres je spezifischen Bedarfs zu fördern.

Wie funktioniert das Tool?

Zur Umsetzung der Methode des Lauten Denkens wählt die Lehrkraft zunächst einen Text aus, an welchem sie die Anwendung ausgewählter Lesestrategien zeigen möchte. Zur Demonstration geeignete Texte sollten nicht zu lang sein, damit die Aufmerksamkeit der Schülerinnen und Schüler aufrechterhalten bleibt. Außerdem sollten sie nicht zu einfach sein, da unter diesen Umständen eventuell die entsprechenden Lesestrategien nicht deutlich zur Anwendung kommen können. Der Text sollte für die Klasse gut sichtbar sein und z.B. mit einem Overhead-Projektor an die Wand projiziert werden.

Die Lehrkraft beginnt nun, den Text zu lesen und verbalisiert dabei für die Schülerinnen und Schüler, was ihr durch den Kopf geht und wie sie beim Lesen des Textes vorgeht. Zudem kommentiert sie ihr Vorgehen und ermöglicht der Klasse, auch die Absichten zu erkennen, die den verschiedenen Strategien zugrunde liegen. Durch das laute Aussprechen ihrer kognitiven Prozesse zeigt sie ihren Schülerinnen und Schülern, dass auch sie als leseerfahrene Person beim Lesen einen Problemlöseprozess durchläuft und dabei verschiedene Strategien anwendet. Um das Laute Denken abwechslungsreich zu gestalten, kann die Lehrperson auch die Schülerinnen und Schülern einbeziehen und diese nach Vermutungen zum Text oder nach verschiedenen Vorgehensweisen fragen.

In der Handreichung „Sprachbildung und Leseförderung in Berlin“ von Erna Hattendorf, Katja Schulz und Petra Bittins (2013) wurde das Laute Denken am Beispiel des Texts „Frosch-Lollies“ dargestellt (vgl. Hattendorf, Schulz & Bittins, 2013, S. 43ff). Hier zeigt die Lehrkraft den Schülerinnen und Schülern zum Text zunächst die Überschrift „Frosch-Lollies“ sowie ein Bild auf dem Overhead-Projektor und liest die Überschrift vor. Im Anschluss daran denkt sie laut und verbalisiert so ihre Gedanken:

„‚Frosch-Lollies‘ – was ist das denn für eine Überschrift? Im Text geht es auf jeden Fall um Frösche. Um Lutscher, die Frösche fressen? Aber das Bild zeigt einen Frosch am Stiel. Also Lollies in Froschform? Aber in diesem Buch geht es ja um die Überlebenstricks der Tiere … Lollies für Frösche? Überleben die mit Lutschern? Mal sehen …“ (ebd., S. 44).

Es folgt eine Meta-Kommunikation, in der die Lehrkraft ihr Vorgehen kommentiert und damit auch aus der Rolle der Leserin bzw. des Lesers heraustritt:

Ich schaue mir vor dem Lesen die Überschrift und die Bilder an und überlege, worum es in dem Text wohl geht. Das stimmt mich auf den Text ein und ich lese ihn mit einer bestimmten Erwartungshaltung, die mich beim Verstehen unterstützt. In diesem Fall ist die Überschrift ziemlich geheimnisvoll.“ (ebd., S. 44).

Im Anschluss daran liest die Lehrperson den nächsten Absatz und denkt dabei wieder laut, bevor sie in einer Meta-Kommunikation ihr Vorgehen erläutert. Das vollständige Script zum Lauten Denken zum Text „Frosch-Lollies“ ist bei Hattendorf, Schulz und Bittins (2013) zu finden.

Nachdem die Lehrperson die Methode des Lauten Denkens an einigen Beispielen präsentiert hat, ist die Arbeit mit dem Lauten Denken auch in Kleingruppen oder im Tandem denkbar, in welchem beispielsweise ähnlich wie beim Lauten Lesen leseschwächere und lesestärkere Schülerinnen und Schüler zusammenarbeiten.

Was wird benötigt, um das Tool umzusetzen?

Material: Die Lehrkraft benötigt zur Durchführung des Lauten Denkens einen Lesetext, der sich in Länge und Komplexität für die Demonstration des Lauten Denkens zur Vermittlung von Lesestrategien eignet. Weitere Materialien werden nicht benötigt. Weitere Hinweise zur Durchführung des Tools finden sich im Buch „Lesen macht schlau. Neue Lesepraxis für weiterführende Schulen“ von Ruth Schoenbach und Kolleginnen (ab Seite 94) und im Buch „Grundlagen der Lesedidaktik“ von Cornelia Rosebrock und Daniel Nix (ab Seite 69). In diesen Materialien werden auch verschiedene Lesestrategien vorgestellt, die die Lehrkraft mit der Methode des Lauten Denkens vermitteln kann (Zugänglichkeit).

Schulung/Fortbildung: Das Verfahren ist selbsterklärend.

Kosten: Mit der Durchführung des Tools sind keine Kosten verbunden. Informationen über die Methode und verschiedene Lesestrategien finden sich beispielsweise im Buch „Lesen macht schlau. Neue Lesepraxis für weiterführende Schulen“ von Schoenbach und Kolleginnen, das 14,80 Euro kostet, sowie im Buch „Grundlagen der Lesedidaktik“ von Rosebrock und Nix, das 15,80 Euro kostet.

Personelle Ressourcen: Die Durchführung erfolgt unterrichtsintegriert durch eine Lehrkraft im Deutschunterricht.

Zugänglichkeit: Das Buch von Schoenbach et al. (2006) ist im Buchhandel erhältlich: ISBN-13: 978-3589221998. Auch das Buch von Rosebrock und Nix (2014) kann im Buchhandel bestellt werden: ISBN-13: 978-3834013347.

Wie ist das Tool a) theoretisch b) empirisch fundiert?

a) theoretische Fundierung

Die Methode des Lauten Denkens hat ihren Ursprung in der Lern- und Denkpsychologie und wurde im frühen 20. Jahrhundert entwickelt (Ericsson, 2006; Konrad, 2010; van Someren, Barnard & Sandberg, 1994). Sie diente in verschiedenen Disziplinen zunächst vordergründig der Diagnostik, indem die zu testende Person dazu angehalten wurde, einen genauen, vollständigen und zusammenhängenden Bericht über ihre kognitiven Prozesse zu geben. Bis heute wird die Methode in dieser Funktion in unterschiedlichen Disziplinen wie der Problemlöseforschung, der Leseforschung, der Unterrichtsforschung oder der Medienforschung genutzt (Konrad, 2010). Daneben wurde die Methode vermehrt in Strategietrainings eingesetzt, um Verstehensprozesse zu veranschaulichen und so zwischen Expertinnen und Experten und Novizinnen und Novizen implizites Praxiswissen zu vermitteln. Der Experte bzw. die Expertin dient dabei als Modell, indem er bzw. sie die Vorgehensweise bei der Lösung eines Problems schildert (vgl. Collins, Brown & Newman 1989). Durch das Verbalisieren interner Prozesse erhalten Novizinnen und Novizen die Gelegenheit, erfolgreiche Strategien zu lernen.

Im Bereich der Vermittlung von Lesestrategien wird davon ausgegangen, dass Strategien sich nicht spontan entwickeln, sondern durch Anleitung erlernt werden müssen (Pressley 1998). Es sei daher sinnvoll, Denkprozesse explizit zu verbalisieren und kommentieren, über den Nutzen und die Anwendungsmöglichkeiten einzelner Strategien aufzuklären und zu erklären, welche Strategie wie, wann und zu welchem Zweck angewendet werden kann (Baker 2008; Williams 2002).

Die Methode des lauten Denkens kann im Deutschunterricht nicht nur zur Vermittlung von Lesestrategien eingesetzt werden. So ist auch die Vermittlung von Schreibstrategien mit Hilfe der Methode denkbar.

b) empirische Fundierung

Das Tool Lautes Denken wurde bislang nicht auf seine Wirksamkeit überprüft. So ist zu bedenken, dass das Ergebnis der Wirksamkeit auch vom Schwierigkeitsgrad des ausgewählten Textes, der Anzahl und Komplexität der demonstrierten Lesestrategien sowie von der Kompetenz der Lehrkraft abhängig ist, die das Laute Denken umsetzt. Die Wirkung des Tools ist demnach bislang nicht bestätigt.

Mit welchen anderen Tools ist dieses Tool kombinierbar?

Lesenavigator – Sachtexte verstehen mit Lesestrategien

Scaffolding / Scaffolding im Fachunterricht (nach Gibbons)

Alter: 8; 9; 10; 11; 12; 13; 14; 15; 16; 17

Klassenstufe: 3; 4; 5; 6; 7; 8; 9; 10; Sek II

Verbünde, die dieses Tool nutzen:

Links:

Publikation „Auf dem Weg zur ‚lesenden Schule‘“ von Erna Hattendorf, Katja Schulz und Petra Bittins:
https://bildungsserver.berlin-brandenburg.de/fileadmin/bbb/themen/sprachbildung/Durchgaengige_Sprachbildung/Publikationen_sprachbildung/Lesende_Schule_2013.pdf [10.06.2024]

Literaturhinweise

Baker, L. (2008). Metacognition in comprehension instruction: What we‘ve learned since NRP. In C. C. Block & S. R. Parris (Hrsg.), Comprehension Instruction: Research-based Best Practices (S. 65–79). New York: Guilford Press.

Collins, A., Brown, J. S. & Newman, S. (1989). Cognitive apprenticeship: Teaching the crafts of reading, writing, and mathematics. In L. B. Resnick (Hrsg.), Knowing, learning and instruction (S. 453 – 494). Hillsdale, NJ: Erlbaum.

Ericsson, K. A. (2006). Protocol analysis and expert thought: Concurrent verbalizations of thinking during experts' performance on representative tasks. In K. A. Ericsson, N. Charness, P. Feltovich & R. R. Hoffman (Hrsg.), The Cambridge handbook of expertise and expert performance (S.223 – 241). Cambridge: University Press.

Hattendorf, E., Schulz, K. & Bittins, P. (2013). Auf dem Weg zur „lesenden Schule“. Systematische schulische Leseförderung in den Jahrgangsstufen 5–10. Berlin: Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft. Verfügbar unter: https://bildungsserver.berlin-brandenburg.de/fileadmin/bbb/themen/sprachbildung/Durchgaengige_Sprachbildung/Publikationen_sprachbildung/Lesende_Schule_2013.pdf [25.02.2020]

Konrad, K. (2010). Lautes Denken. In G. Mey & K. Mruck (Hrsg.), Handbuch Qualitative Forschung in der Psychologie. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.

Pressley, M. (1998). Reading instruction that works: The case for balanced teaching. New York: The Guilford Press.

Rosebrock, C. & Nix, D. (2008). Grundlagen der Lesedidaktik und der systematischen schulischen Leseförderung. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.

Schoenbach, R., Greeleaf, C., Cziko, C. & Hurwitz, L. (2006). Lesen macht schlau. Neue Lesepraxis für weiterführende Schulen. Berlin: Cornelsen Scriptor.

Van Someren, M. W., Barnard, Y. F. & Sandberg, J. A. C. (1994). The think aloud method. A practical guide to modelling cognitive processes. London: Academic Press.

Williams, J.P. (2002). Reading Comprehension Strategies and Teacher Preparation. In A.E. Farstrup & S.J. Samuels (Hrsg.), What Research Has to Say about Reading Instruction (S. 243–260). Newark: International Reading Association.

Letzte Änderung am: 12.06.2024

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