Kurzbeschreibung
Preis: Gesamtausgabe C: 149,80 Euro/Gesamtausgabe D: 218 Euro (Details)
Bei dem Tool Kieler Leseaufbau handelt es sich um ein Förderkonzept sowie -instrument für den Erstleseunterricht, mit welchem leseschwache Schülerinnen und Schüler in der ersten und zweiten Klasse durch systematische Zusatzförderung in Kleingruppen unterstützt werden können. Beim Kieler Leseaufbau wird in kleinen Schritten von leichten zu schweren Leseaufgaben übergeleitet. Dabei werden 14 verschiedene Schwierigkeitsstufen nacheinander mit verschiedenen Übungen und Spielen durchlaufen. Die gesamte Beschäftigungsdauer mit dem Tool beträgt circa 60 Stunden.
Qualitätscheck als Förder-Tool:
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Zielbereich | Altersgruppe | Durchführbarkeit | Theoretische Fundierung | Wirksamkeit |
---|---|---|---|---|
11 | 6 bis 7* |
sehr empfehlenswert* | empfehlenswert* | weniger empfehlenswert*
*aus wissenschaftlicher Sicht
Letzte inhaltliche Bearbeitung/Prüfung am: 03.06.2024
Das Förderkonzept und -instrument Kieler Leseaufbau dient der Förderung der Lesefähigkeit und richtet sich an leseschwache Kinder zwischen 6 und 7 Jahren in der Grundschule, die erhebliche Probleme beim Erwerb der Schriftsprache haben. Im Rahmen des Förderprogramms, das in 14 Stufen mit unterschiedlichen Schwerpunkten unterteilt ist, wird nach dem Grundsatz „Vom Leichten zum Schweren“ vorgegangen (Dummer-Smoch & Hackethal, 2011). Ziel ist es, die Lesekompetenz der Kinder auf einer bestimmten Stufe zu sichern, um auf dieser Basis zu höheren Lesekompetenzstufen zu gelangen. Das Tool eignet sich für den Einsatz im Modul P3 „Diagnose und Förderung der Leseflüssigkeit und ihrer Voraussetzungen“ des Primarbereichs.
Das Tool Kieler Leseaufbau eignet sich zur Leseförderung im Anfangsunterricht. Es sollte gezielt bei besonders leseschwachen Schülerinnen und Schülern in der ersten und zweiten Klasse eingesetzt werden, die beim Schriftspracherwerb besondere Unterstützung benötigen. Beim Kieler Leseaufbau handelt es sich explizit nicht um einen Leselehrgang, der sich für ganze Klassen eignet. Das Tool soll vielmehr Kindern einen „Neuanfang“ bieten, die besondere Probleme beim Schriftspracherwerb aufweisen und den Zugang zum lautierenden Lesen im Anfangsunterricht der Grundschule nicht gefunden haben. Mehrsprachigkeit wird im Tool nicht berücksichtigt, nach Angaben der Autorinnen eignet sich das Tool jedoch auch zur Unterstützung von Schülerinnen und Schülern mit nicht deutscher Muttersprache.
Das Tool Kieler Leseaufbau kann zur Förderung der Lesefähigkeit für Kinder in der ersten und zweiten Grundschulklasse verwendet werden und richtet sich in erster Linie an besonders leseschwache Schülerinnen und Schüler mit großen Problemen beim Schriftspracherwerb. Zur Bestimmung leseschwacher Schülerinnen und Schüler für die Kleingruppenarbeit empfehlen die Autorinnen das Screening-Verfahren Diagnostische Bilderlisten (Dummer-Smoch, 1984; s. Literatur), das sie selbst entwickelt haben. Eine Förderung in Kleingruppen soll diesen Kindern dabei helfen, schrittweise Leseerfolge zu erzielen, indem der Schwierigkeitsgrad der Aufgaben kontinuierlich erhöht wird.
Insgesamt sieht der Kieler Leseaufbau eine Progression entlang von 14 Schwierigkeitsstufen vor: Die ersten vier Stufen kennzeichnen sich insbesondere dadurch, dass das Lesen ausschließlich an Wörtern mit einfacher Wortstruktur geübt wird. Die Übungen beinhalten nur Wörter mit einer 1:1-Zuordnung von Lauten und Buchstaben, sodass die Graphem-Phonem-Korrespondenz (Schriftzeichen-Laut-Zuordnung) systematisch eingeübt werden kann. Auch auf Konsonantenverbindungen wie „Bl…“, „Kr…“ oder „Schn…“ sowie Kurzvokale wird anfangs vollständig verzichtet. Geübt werden darüber hinaus nur dehnbare Konsonanten (z.B. „m“, „r“ oder „s“). In den darauf folgenden Stufen wird der Schwierigkeitsgrad dann schrittweise erhöht, indem auch nicht-dehnbare Konsonanten, also solche, die beim Sprechen nicht über einen längeren Zeitraum hinweg artikuliert werden können, bei den Übungen vorkommen. Außerdem sollen neue komplexere Wortstrukturen sowie Wörter mit mehr als drei Silben erlesen werden. Die verschiedenen Schwierigkeitsstufen werden bei der Auswahl des Wortschatzes in dem vorgegebenen Übungsmaterial immer berücksichtigt: So enthalten die Stufen 1 bis 10 einfach strukturierte Wörter wie „Rosen“, „Maler“ oder „Tauben“. Ab Stufe 11 und 12 kommen schrittweise auch Konsonantenhäufungen am Wortanfang sowie in der Mitte von Wörtern hinzu (z.B. „Fragen“, „Wolken“, „Birnen“). Beim Leseprozess stehen in jeder Stufe grundsätzlich verschiedene Strategien im Vordergrund, welche die Lehrkraft stets anwenden kann (z.B. die Strategie zum Verschleifen zweier Laute zu einer Silbe; Dummer-Smoch & Hackethal, 2011). Im Kieler Leseaufbau wird zusätzlich mit Lautgebärden gearbeitet, die Leseprozesse unterstützen und vereinfachen sollen. Dabei handelt es sich um Handzeichen, die parallel zum silbenweisen Sprechen der Sprachlaute Laut für Laut gezeigt werden. Die Lautgebärden werden den Kindern als „Geheimsprache“ vorgestellt, die ihnen schrittweise vermittelt wird. Mit Hilfe der Lautgebärden sollen Handicaps bei der Lautwahrnehmung kompensiert werden. Sie sollen Kindern beim Verbinden von Lauten und Buchstaben sowie beim Verschmelzen von Lauten zur Silbe helfen und begleiten unterstützend alle weiteren Strategien des Lesenlernens.
Das Materialpaket zum Tool Kieler Leseaufbau beinhaltet neben einem Handbuch verschiedene Vorlagen (z.B. Wörterlisten, Übungstexte zum Lesen und Diktieren in verschiedenen Schwierigkeitsgraden) sowie eine Wörter- und Spielekartei mit circa 1500 bunten Wort- und Spielkarten (z.B. zum Spielen von Memory oder Quartett). An dieser Stelle unterscheiden sich die Gesamtausgaben C und D voneinander: Bei der Gesamtausgabe C wird die Wörter- und Spielkartei im DIN A4-Format in ungeschnittener Form angeboten. Die Karten müssen vor dem Gebrauch zerschnitten werden, zuvor können sie zwecks besserer Stabilität noch laminiert werden. Bei der Gesamtausgabe D werden die Wörter- und Spielkarten bereits geschnitten und in einem Karton vorsortiert angeboten. Die Karten bestehen aus einem dickeren Karton als bei Gesamtausgabe C. Die beiden Gesamtausgaben unterscheiden sich also nicht in inhaltlicher Form, sondern nur in der Art des Materials und der damit verbundenen Arbeit, die vor dem ersten Gebrauch vom Nutzer geleistet werden muss. Auf die Verwendung von Bildern wurde im Kieler Leseaufbau komplett verzichtet, da alle Informationen aus den Wörtern und Texten selbst entnommen werden sollen.
Die Gesamtarbeitszeit mit dem Kieler Leseaufbau beträgt etwa 60 Stunden, die von den Lehrkräften flexibel aufgeteilt werden können. Es wird empfohlen, die Übungen zusätzlich zum Unterrichtsgeschehen in Kleingruppen von zwei bis sechs Schülerinnen und Schülern durchzuführen.
Material: Zur Durchführung des Tools wird das Materialpaket zum Kieler Leseaufbau von Lisa Dummer-Smoch und Renate Hackethal benötigt (s. Zugänglichkeit). Es enthält neben einem Handbuch verschiedene Arbeitsblätter sowie eine Wörter- und Spielekartei zur Arbeit in den Kleingruppen. Zum Kieler Leseaufbau kann bei Bedarf zudem umfangreiches Übungsmaterial von verschiedenen Autorinnen und Autoren bestellt werden (z.B. Lesetexte, Lesehefte, Lernsoftware).
Schulung: Das Tool ist verständlich geschrieben und erfordert keine tiefergehenden Vorkenntnisse, allerdings verlangt es eine selbständige Auseinandersetzung mit den Inhalten. Die Durchführung des Tools erfolgt möglichst in Kleingruppen additiv zum Unterricht in der Grundschule.
Kosten: Die Gesamtausgabe C des Kieler Leseaufbaus inklusive aller erforderlichen Materialien kostet 149,80 Euro (Karten müssen selbst zugeschnitten werden), Gesamtausgabe D kostet 218 Euro (Karten aus dickerem Karton sind fertig zugeschnitten). Weitere Materialien werden nicht benötigt. Daneben sind alle Bestandteile des Kieler Leseaufbaus auch als Einzeltitel erhältlich (Handbuch, Arbeitsblätter in Druckschrift und Wörter- und Spielekartei).
Zugänglichkeit: Die Gesamtausgabe des Kieler Leseaufbaus von Dummer-Smoch und Hackethal kann im Buchhandel bestellt werden: ISBN 978-3924173180.
a) theoretische Fundierung
Beim Kieler Leseaufbau handelt es sich um ein Förderkonzept, das von Lisa Dummer-Smoch, Professorin an der Universität in Kiel, und Renate Hackethal, Grund-, Haupt- und Sonderschullehrerin, ursprünglich für die Zielgruppe der Förderschülerinnen und -schüler entwickelt wurde. Der Kieler Leseaufbau wurde 1984 erstmals veröffentlicht und ist 2011 in der 8. Auflage erschienen.
Die Autorinnen orientieren sich bei der Erarbeitung des Kieler Leseaufbaus an lernpsychologischen Erkenntnissen und beziehen in ihre Ausführungen auch verschiedene Modelle des Schriftspracherwerbs sowie Fallstudien ein (Frith, 1986; Günther, 1989; Scheerer-Neumann, 2002). Entlang des neurobiologischen Modells des Erwerbs psychomotorischer Fertigkeiten von Luria (1970) erläutern die Autorinnen, dass der Schriftspracherwerb als „Aufbau eines komplexen funktionellen Systems von Vernetzungen zwischen Hirnarealen“ (Dummer-Smoch & Hackethal, 2011, S. 29) gesehen wird. Dieses System bezieht sich dieser Theorie nach auf das System der Lautsprache, welches bereits während des Spracherwerbs aufgebaut wird. Nach Ansicht der Autorinnen genügt es aufgrund der o. g. Vernetzung nicht, die Funktionsweisen von Schrift bei verlangsamten Leselernprozessen ausschließlich auf kognitiver Ebene zu vermitteln. Auch aus diesem Grund wird im Tool mit Lautgebärden als kompensatorische Hilfe gearbeitet, durch welche die Automatisierung von Leselernprozessen erleichtert werden soll. Auf dieser Grundlage soll es gelingen, anfänglich isolierte Einzelleitungen (z.B. Zuordnung von Lauten und Buchstaben, Verschmelzung von Lauten zu Silben) durch vielfältige Übungen zu automatisieren und dadurch flüssiges Lesen zu ermöglichen.
b) empirische Fundierung
Die Autorinnen verweisen im Handbuch zum Tool auf verschiedene kleine Evaluationsvorhaben, die zum Kieler Leseaufbau durchgeführt wurden und die Erfolge von Lautgebärden überprüfen. Genaue Informationen zur Stichprobengröße, zur Art und Weise sowie zu den Rahmenbedingungen der Durchführung werden nicht gegeben. Statistisch abgesicherte Ergebnisse werden ebenfalls nicht berichtet. An einer nach den üblichen Standards durchgeführten formalen Evaluation fehlt es bislang, sodass eine empirische Fundierung derzeit nicht gegeben ist.
Alter: 6; 7
Klassenstufe: 1; 2
Dummer-Smoch, L. & Hackethal, R. (2007). Kieler Leseaufbau. Handbuch. Kiel: Veris Verlag.
Frith, U. (1986). Psychologische Aspekte des orthographischen Wissens: Entwicklung und Entwicklungsstörung. In: G. Augst (Hrsg.), New Trends in graphemics and orthography (S. 218-233). Berlin, New York: De Gruyter.
Günther, K.-B. (Hrsg.). (1998). Ontogenese, Entwicklungsprozess und Störungen beim Schriftspracherwerb. Heidelberg: Universitätsverlag Winter.
Luria, A. R. (1970). Die höheren kortikalen Funktionen des Menschen und ihre Störungen bei örtlichen Hirnschädigungen. Berlin: VEB.
Scheerer-Neumann, G. (2002). Lese-Rechtschreibschwierigkeiten: Analyse und Förderung: Gesammelte Beiträge. Potsdamer Studien zur Grundschulforschung. Heft 29. Potsdam: Universität Potsdam.
Letzte Änderung am: 06.06.2024