historisch, Verfasser nicht bekannt
Kurzbeschreibung
Preis: siehe Details
Beim Kamishibai Erzähltheater handelt es sich um ein Tool zur Förderung der Erzählfähigkeit, der Begriffsbildung und des Wortschatzes von Kindern ab einem Jahr bis zum Ende der Grundschulzeit. In einen Rahmen, z.B. aus Holz, werden vorgefertigte oder individuell erstellte Bildkarten im DIN-A3-Format eingelegt. Die einzelnen Bildkarten werden nacheinander im Rahmen gezeigt. Dabei wird die auf den Bildkarten gezeigte Geschichte Szene für Szene gemeinsam von Pädagogischen Fachkräften bzw. Lehrkräften und Kindern erzählt. Fertiges Bildkartenmaterial ist für unterschiedliche Altersstufen und Themenbereiche erhältlich. Das Konzept des Tools stammt aus Japan. Es ist mit Kindergruppen ebenso anwendbar wie in der Einzelförderung.
Qualitätscheck als Förder-Tool:
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Zielbereich | Altersgruppe | Durchführbarkeit | Theoretische Fundierung | Wirksamkeit |
---|---|---|---|---|
0 | 1 bis 10 |
sehr empfehlenswert* | empfehlenswert* | weniger empfehlenswert*
*aus wissenschaftlicher Sicht
Letzte inhaltliche Bearbeitung/Prüfung am: 03.06.2024
Das Tool wird als Förder-Tool eingesetzt und verfolgt vor allem das Ziel der Unterstützung des freien mündlichen Erzählens (Betzold Verlag, s. Links). Angestrebt wird eine „ganzheitliche Förderung der Sprachentwicklung der Kinder“. Es wird jedoch nicht konkretisiert, welche Kinder mit welchen sprachlichen Voraussetzungen von bestimmten Arten der Präsentation und Kommunikation in umschriebenen Bereichen besonders profitieren.
Der Don Bosco Medien Verlag (s. Links, 2016a) definiert die Ziele und Einsatzmöglichkeiten differenziert nach dem Alter der Kinder: Für Krippenkinder bis drei Jahren helfen demnach die Kamishibai-Geschichten über die beim Erzählen ablaufenden Bild- und Dialogerfahrungen, Sprache mit allen Sinnen erfahrbar zu machen. Dadurch können Kinder neue Begriffserfahrungen und Erfahrungsbilder erwerben. Die Fantasie und Kreativität der Kinder wird angeregt, wobei ein differenzierter Sprachgebrauch gefördert werden soll. Durch den Einsatz von Seh-, Hör-, Fühl-, Schmeck- und Riechbildern soll die Sprachentwicklung der Kinder ganzheitlich gefördert werden.
Bei Kindergartenkindern steht eher die Erweiterung des Wortschatzes sowie die Förderung von Fantasie und Kreativität im Mittelpunkt.
Bei Schulkindern zwischen 5-10 Jahren steht die Entwicklung der Erzählfähigkeit im Fokus.
Das Tool eignet sich für den Einsatz in den Modulen E1 „gezielte alltagsintegrierte Sprachbildung“, E2 „Unterstützung der Sprachentwicklung von Kindern unter 3 Jahren“ sowie P1 „gezielte sprachliche Bildung in alltäglichen und fachlichen Kontexten.
Bei dem Tool Kamishibai Erzähltheater handelt es sich um ein Förder-Tool. Das Tool ist sowohl im Einzel- als auch im Gruppen-Kontext einsetzbar. Viele der verfügbaren Materialien wurden für den Bereich Krippe, Kindergarten und Grundschule konzipiert. Die möglichen Einsatzbereiche und Adressatinnen und Adressaten sind jedoch breiter gefächert. So ist der Einsatz des Tools außer in Kita und Schule auch in der Berufsausbildung möglich (z.B. Brandt, 2016a). In Bezug auf den Einsatz im Rahmen der Sprachbildung und –förderung im Elementar- oder Primarbereich sollten die erzählenden Personen Kenntnisse und Kompetenzen zu Sprachentwicklung und sprachförderlichem Interaktionsverhalten besitzen, da das sprachförderliche Potenzial des Kamishibai mit hoher Wahrscheinlichkeit von der Qualität der Durchführung abhängt (ähnlich wie beim dialogischen Lesen, vgl. Ennemoser, Lehnigk, Hohmann & Pepouna, 2015).
Eine Umsetzung bei mehrsprachig aufwachsenden Kindern ist mit diesem Tool auch möglich, da es Bildkartensets in mehreren Sprachen gibt. Brandt (2016b) verdeutlicht in einer Praxishandreichung, dass das Tool zum Erlernen der Zweitsprache Deutsch besonders geeignet sei, da die Ebenen Bild und Wort kombiniert werden. Bezüge würden dadurch leichter verstanden. Mehrsprachig aufwachsende Kinder können in einem Wechselspiel die neuen Wörter wiederholen oder kurze Abschnitte in verschiedenen Sprachen hintereinander sprechen.
Das Tool kann grundsätzlich auch für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache eingesetzt werden. Bei diesen Kindern ist es jedoch angezeigt, sie in zusätzlichen, kleineren Gruppen entsprechend ihres je spezifischen Bedarfs zu fördern.
Bei dem Erzähltheater Kamishibai handelt es sich um einen leeren Holzrahmen im DinA3-Format mit Türen davor. In den Rahmen wird ein Set von Bildkarten gelegt, die nach und nach entfernt werden und so eine Fortsetzungsgeschichte entstehen lassen. Die Handlung der Geschichte wird entweder von einer Fachkraft erzählt oder gemeinsam mit den Kindern, wodurch ein dialogisches Geschichten-Erzählen eingeübt wird. Eine Vielzahl vorgefertigter Bildkartensets steht zur Verfügung, die in der Regel 10-15 Karten enthalten: Bekannte Kinderbücher wurden ebenso aufbereitet, wie Märchen, Sachthemen, religiöse und andere Geschichten.
Ritualisierungen (wie z.B. das gemeinsame, langsame Öffnen und Schließen der Türen) sollen für die Arbeit mit diesem Tool essentiell sein. Reime, Rhythmen, Lieder, klangliche oder musikalische Untermalungen oder kleine nachgespielte Szenen können die Arbeit mit diesem Tool in einem ganzheitlichen Sinne ergänzen (Brandt, 2016b; Gruschka & Brandt, 2016).
Bildkartensets für das Kamishibai können auch gemeinsam mit den Kindern gebastelt und gemalt werden. Anregungen dazu finden sich beispielsweise bei Gruschka und Brandt (2016) oder online (s. Links).
Hinweise zur Nutzung des Tools bei mehrsprachig aufwachsenden Kindern und eine diesbezügliche Linkliste finden sich beispielsweise auf der Seite der Büchereizentrale Schleswig Holstein (s. Links). Dort gibt es Links zu Märchen aus dem Bildkartensortiment, die in bis zu acht Sprachen übersetzt wurden. Eine weitere Quelle bieten Märchen der Gebrüder Grimm an, die in bis zu 19 Sprachen übersetzt wurden. Dadurch können die Kamishibais mehrsprachig erzählt werden, wobei auch zweisprachig aufwachsende Kinder ihre Erstsprache gewürdigt wissen und diese aktiv in die Erzählsituation einbauen können. Außerdem gibt Brandt (2016b) Hinweise zur Auswahl geeigneten Bildmaterials für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache und stellt zehn konkrete Beispiele zur Umsetzung vor. Hier finden sich auch Hintergrundinformationen zu den Geschichten und passende Lieder, Gedichte oder Klangspiele. In einer Begleitbroschüre der Stadt Frankfurt zum Einsatz von Kamishibais in der KiTa (s. Links) werden mehrere Geschichten und Praxistipps vorgestellt. Dort finden sich auch Hinweise, welche der Materialien für Kinder mit geringen Deutschkenntnissen geeignet sind.
Zugänglichkeit & Preis: Erzähltheater und passendes Bildmaterial sind online oder im Buchhandel erhältlich. Die Preise variieren (s. Links, 69 Euro, 79 Euro, ein Bausatz zur Selbstmontage ohne Flügeltüren kostet 49,95 Euro). Ein Set Bildkarten für eine Geschichte, die von verschiedenen Verlagen erhältlich sind, kostet meist zwischen 12 und 15 Euro.
Material & Schulung: Es gibt eine Vielzahl an Online-Quellen, bei denen man sich über die Anwendungsmöglichkeiten eines Kamishibai informieren kann (s. Links). Außerdem gibt es einige Anleitungs- und Praxishandbücher mit Umsetzungsideen (bspw. Brandt, 2016b), in denen teilweise auch Ideen zur eigenen Gestaltung von Bildkarten enthalten sind (z.B. Gruschka & Brandt, 2016). Manche Bibliotheken oder Verlage (z.B. der Don Bosco Verlag) bieten auch Fortbildungen zum Kamishibai oder Geschichten-Erzählen an. Zentral im Hinblick auf eine sprachförderliche Wirkung ist, dass die Durchführenden gute Kenntnisse über die Sprachentwicklung und das Erkennen sprachlicher Ausgangslagen mitbringen sowie Kompetenzen in der Anwendung individuell geeigneter Sprachlehrstrategien für die jeweils anwesenden Kinder (z.B. je nach Alter, Herkunftssprache, Kontaktdauer zum Deutschen).
Format & Sozialform: Das Kamishibai wird meist in Kleingruppen eingesetzt, ist aber auch zur Nutzung in Einzelsituationen oder in größeren Gruppen geeignet.
Durchführungsdauer: Häufigkeit und Dauer der Einsätze dieses Tools sind sehr variabel und abhängig von den Zielen und der Zielgruppe, meist wird jedoch ein Einsatz von mindestens einmal wöchentlich als festes Ritual empfohlen.
a) theoretische Fundierung
Das Kamishibai Erzähltheater stammt ursprünglich aus Japan und hatte in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts dort seine Blütezeit. Damals fuhren sogenannte "Kamishibai-Männer" mit ihren Rädern übers Land und kurbelten durch das Erzählen zu Bildkarten im Kamishibai den Verkauf ihrer Süßigkeiten an. In der zweiten Hälfte des 20. Jh. wurde das Kamishibai durch die Internationale Kinderbuchmesse in Bologna auch in Europa und den USA bekannt (Gruschka & Brandt, 2016).
Zwei Autorinnen, die im deutschsprachigen Raum aktuell viel zu den Einsatzmöglichkeiten des Kamishibai publizieren, sind die Bibliothekarin Susanne Brandt und die Apothekerin und Geschichtenerzählerin Helga Gruschka. Sie plädieren für einen ganzheitlichen Einsatz des Erzähltheaters, indem Kinder durch ergänzende Klänge, Rhythmen, Fühlen oder Bewegungen mit allen Sinnen eine Geschichte erfassen und die Fantasie anregen. Sie sehen in der Kombination dieser Elemente die besondere sprachförderliche Wirkung des Erzähltheaters (Gruschka & Brandt, 2016).
Zwar wird dem Kamishibai eine sprachförderliche Wirkung nachgesagt, diese wird jedoch nicht mit Theorien zur Sprachentwicklung und einer daraus folgenden Ableitung bestimmter sprachförderlicher Vorgehensweisen beim Kamishibai begründet. Aus wissenschaftlicher Sicht erscheint es im Hinblick auf eine sprachförderliche Wirkung unabdingbar, dass die Durchführenden gute Kenntnisse über Sprachentwicklung und Kompetenzen in der Anwendung von Sprachlehrstrategien haben (z.B. bei Kindern welchen Alters und welcher Voraussetzungen machen welche Fragenarten (W-Fragen, offen, geschlossen) Sinn und welche Modellierungstechniken und welches Feedback (Erweiterung und Umformulierung, Lob für Äußerungen) lassen sich anwenden? Eine gewisse Gefahr, das sprachförderliche Potenzial des Kamishibai zu „verschenken“, bergen Aussagen, dass jede Person sich selbst einen geeigneten Umgang mit dem Erzähltheater aneignen solle (was ist für welche Kinder „geeignet“? Welche Kriterien legen fest, was ein geeigneter Umgang ist?). Eine theoretische Fundierung ist somit nicht gegeben, Evidenz aus der Praxis liegt noch nicht vor.
b) empirische Fundierung
Bisher liegt keine empirische Fundierung vor.
Alter: nicht festgelegt
Klassenstufe: Kita; 1; 2; 3; 4
Betzold Verlag: Bestellmöglichkeit und Produktbeschreibung des Kamishibai Erzähltheaters:
https://www.betzold.de/prod/56594/ [03.06.2024]
Büchereizentrale Schleswig Holstein: Übersicht zu mehrsprachigen Kamishibais:
http://www.bz-sh-medienvermittlung.de/kamishibai-im-kindergarten/ [03.06.2024]
Don Bosco Medien (2016): Einsatzmöglichkeiten eines Kamishibai:
http://www.mein-kamishibai.de/einsatzorte-f%C3%BCr-das-kamishibai [03.06.2024]
Don Bosco Medien (2016): Was ist ein Kamishibai?:
http://www.mein-kamishibai.de/kamishibai-was-ist-das [03.06.2024]
Hinweise zum eigenen Geschichtenerfinden vom Don-Bosco-Verlag:
http://www.mein-kamishibai.de/spielend-leicht-geschichten-erfinden-mit-dem-geschichtenbaukasten [03.06.2024]
Grimms Märchen in 19 Sprachen:
https://www.grimmstories.com/ [03.06.2024]
Übersicht über das Konzept Kamishibai, weiterführende Fach- und Anleitungsbücher sowie eine Übersicht über verfügbare Bildkartensets:
https://kindergartenpaedagogik.de/zum-weiterlesen/buecher-zur-kindertagesbetreuung/sprache-fremdsprachen-literacy-kommunikation/218 [03.06.2024]
Übersicht des Don Bosco Medien Verlags über das Kamishibai, Anregungen in Text- und Videoform für Einsatzmöglichkeiten und Bestellmöglichkeit des Theaters und einer großen Auswahl von Bildkartensets:
http://www.mein-kamishibai.de/ [03.06.2024]
Brandt, S. (2012). Kamishibai-Erzähltheater – eine alte Kunst neu entdeckt für die frühkindliche Sprach- und Leseförderung. Konferenzveröffentlichung vom 101. Deutschen Bibliothekartag in Hamburg 2012. Verfügbar unter: https://opus4.kobv.de/opus4-bib-info/frontdoor/index/index/docId/1064 [23.01.2024].
Brandt, S. (2016a). Neues Leben für ein altes Medium – Kamishibais in Bibliotheken vielfältig und fantasievoll nutzen und weiterentwickeln. Ein Erfahrungsbericht aus vier Jahren Kamishibai-Praxis in den Büchereien von Schleswig-Holstein. Bibliothek Forschung und Praxis, 40 (1), 64-69. Verfügbar unter: https://www.degruyter.com/view/j/bfup.2016.40.issue-1/bfp-2016-0008/bfp-2016-0008.xml?format=INT [23.01.2024].
Brandt, S. (2016b). Mein Erzähltheater Kamishibai. Deutsch lernen mit Bildern und Geschichten. München: Don Bosco Medien GmbH.
Ennemoser, M., Lehnigk, M., Hohmann, E. & Pepouna, S. (2015). Wirksamkeit eines Coachings für pädagogische Fachkräfte zur Optimierung der Förderpotenziale des dialogischen Lesens. In: A. Redder, J. Naumann & R. Tracy (Hrsg.), Forschungsinitiative Sprachdiagnostik und Sprachförderung – Ergebnisse (S. 137-153). Münster: Waxmann.
Gruschka, H. & Brandt, S. (2016). Mein Kamishibai. Das Praxisbuch zum Erzähltheater (2. Aufl.). München: Don Bosco Medien GmbH.
Letzte Änderung am: 06.06.2024