Differenzierter Lesetest – Dekodieren (DiLe-D)

Lisa Paleczek, Susanne Seifert, Tanja Obendrauf, Susanne Schwab und Barbara Gasteiger-Klicpera

DiagnosePrimarstufe

Kurzbeschreibung

Preis: 95 Euro. (Details)

Der Differenzierte Lesetest – Dekodieren (DiLe-D) ist ein Tool zur Erfassung der Dekodierfähigkeit von Kindern, die sich in den letzten sechs Wochen der 1. Klasse oder in den ersten und letzten sechs Wochen der 2. oder 3. Klassenstufe befinden. Beim DiLe-D handelt sich um ein Lautlese-Verfahren, das eine relativ differenzierte Diagnostik der Lesefähigkeiten innerhalb kurzer Zeit erlaubt. So ermöglicht es der DiLe-D in etwa fünf Minuten Durchführungsdauer sowohl die Dekodierfähigkeit auf lexikalischer (Wörter lesen) wie auch auf nicht lexikalischer Ebene (Pseudowörter lesen) zu erheben. Über den DiLe-D können also Defizite im lautierenden Lesen und in der direkten Worterkennung erkannt werden. Durch die Vorgabe eines Zeitlimits von einer Minute wird auch die Lesegeschwindigkeit ermittelt.

Letzte inhaltliche Bearbeitung/Prüfung am: 27.05.2024

Qualitätscheck als Diagnostik-Tool:
(Für Erläuterungen mit der Maus auf die Zahlen und Punkte zeigen.)

Bildungsetappe Zielbereich Altersgruppe Durchführbarkeit Theoretische Fundierung Erfüllung der Gütekriterien
Primar 20 6 bis 9 grüner Punkt grüner Punkt grüner Punkt
grüner Punkt Das Verfahren entspricht den Minimalstandards. Da es sich um ein Testverfahren/Screening handelt, wird die Anwendung als Einzeltest nur durch diagnostisch geschultes Personal empfohlen. 

Welches Ziel hat das Tool?

Das Tool DiLe-D ermöglicht eine differenzierte Diagnostik der Lesefähigkeiten von Kindern zum Ende der 1. bis Ende der 3. Klasse. Es kann entweder zum Schuljahresende der 1. Klasse (letzte 6 Wochen) oder jeweils zu Schuljahresbeginn und -ende der 2. und 3. Klasse (jeweils in den ersten und den letzten 6 Wochen) eingesetzt werden. Neben der Lesegeschwindigkeit erfasst der DiLe-D die Dekodierfähigkeit auf lexikalischer und auf nicht lexikalischer Ebene. Es können also Defizite sowohl im lautierenden Lesen als auch in der direkten Worterkennung identifiziert werden. Die Durchführung ist im Einzelsetting sowohl für Schülerinnen und Schüler mit Deutsch als Erstsprache als auch mit Deutsch als Zweitsprache möglich. Eine Durchführung dauert insgesamt maximal fünf Minuten.

Das Tool eignet sich im Primarbereich für den Einsatz im Modul P3 „Diagnose und Förderung der Leseflüssigkeit und ihrer Voraussetzungen“.

Für welches Vorhaben kann das Tool eingesetzt werden?

Der DiLe-D wurde zur vertiefenden und differenzierten Diagnostik der Lesefähigkeiten entwickelt und dient zur Identifikation vorhandener Defizite im lautierenden Lesen und in der direkten Worterkennung. Das Tool erfasst die Leistung im Dekodieren bei Kindern zum Ende der 1. bis Ende der 3. Klasse, entweder zum Schuljahresende der 1. Klasse (letzte 6 Wochen) oder zu Schuljahresbeginn und -ende der 2. bzw. 3. Klasse (jeweils in den ersten und den letzten 6 Wochen).

Der DiLe-D kann sowohl von Lehrerinnen und Lehrern in Regel-, Sonder- und Förderschulen sowie Sprachtherapeutinnen und Sprachtherapeuten ebenso wie von Inklusionspädagoginnen und -pädagogen angewandt werden. Basierend auf den Ergebnissen des DiLe-D können an die Bedürfnisse des Kindes angepasste Fördermaßnahmen eingeleitet werden.

Mehrsprachigkeit wurde bei dem Tool berücksichtigt. Der DiLe-D wurde sowohl für Kinder mit Deutsch als Erstsprache als auch für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache konzipiert. Es existieren neben den Normwerten für Kinder mit Deutsch als Erstsprache auch separate Normwerte für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache.

Wie funktioniert das Tool?

Der DiLe-D wurde als zeitökonomischer Einzeltest konzipiert. Eine Durchführung mit Instruktion umfasst maximal fünf Minuten. Der DiLe-D beinhaltet zwei Subtests: Wort und Pseudowörter. Über den Subtest Wort wird die Dekodierfähigkeit auf lexikalischer Ebene anhand einer Liste mit 157 Wörtern bestimmt. Der Subtest Pseudowörter besteht aus einer Liste mit 157 Pseudowörtern und erfasst die Dekodierfähigkeit auf nicht lexikalischer Ebene. Hierbei orientieren sich die Pseudowörter an den realen Wörtern, sodass die Komplexität und Länge denen der realen Wörter entsprechen und so ein Vergleich der Leseleistung von Wörtern und Pseudowörtern möglich ist. Beide Subtests erstrecken sich über 22 Zeilen. Von Zeile zu Zeile nimmt die Komplexität und Länge der Items zu. Beide beinhalten je zwei Übungsbeispiele. Aufgabe der Schülerinnen und Schüler ist es je eine Minute lang aus der Wort- und anschließend der Pseudowortliste zeilenweise laut vorzulesen.

Als Ergebnis werden Normwerte für die beiden Subtests sowie für einen Gesamtwert für die Dekodierfähigkeit ermittelt. Die Auswertung der beiden Subtests erfolgt also zunächst getrennt. Hierbei wird – ohne zwischen Lesegenauigkeit und Lesegeschwindigkeit zu differenzieren - jeweils die Anzahl korrekt gelesener Wörter bzw. Pseudowörter bestimmt, welche dann den jeweiligen Rohwert darstellt. Der Rohwert des Subtests Wort, entsprechend der Anzahl korrekt gelesener Wörter innerhalb einer Minute, dient hierbei als Maß für die lexikalische Dekodierfähigkeit. Der Rohwert des Subtests Pseudowörter, entsprechend der Anzahl korrekt gelesener Pseudowörter innerhalb einer Minute, dient als Maß für die nicht-lexikalische Dekodierfähigkeit. Anhand der Normtabellen lassen sich dann ein Prozentrang und ein z-Wert ermitteln. Über die Addition der beiden z-Werte der Subtests kann zusätzlich ein Gesamtwert für die erreichte Dekodierfähigkeit errechnet werden. Dieser lässt sich ebenfalls anhand einer Normtabelle in einen Prozentrang umwandeln. Der Gesamtwert erlaubt eine allgemeine Aussage zur Dekodierleistung der Schülerin bzw. des Schülers.

Für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache liegen gesonderte Normwerte vor.

Was wird benötigt, um das Tool umzusetzen?

Material: Der DiLe-D komplett besteht aus Manual, Leseblatt Wort, Leseblatt Pseudowort, 5 Protokollbogen Wort, 5 Protokollbogen Pseudowort, 5 Auswertungsbogen und Mappe.

Schulung: Eine gesonderte Schulung ist nicht notwendig. Die Testleiterinnen und Testleiter sollten sich allerdings vorab mit den Materialien vertraut machen.

Zugänglichkeit: Das Verfahren ist bei der Hogrefe-Testzentrale bestellbar unter https://www.testzentrale.de/shop/differenzierter-lesetest-dekodieren.html [27.05.2024]

Durchführungsdauer: Für die Instruktion und Durchführung werden insgesamt maximal fünf Minuten veranschlagt.

Kosten: Das Gesamtpaket des DiLe-D kostet 95,00 Euro. Einzeln kostet das Manual 87,00 Euro, ein Leseblatt Pseudo/-Wort jeweils 6,00 Euro. Zudem gibt es 25 Protokollbogen bzw. Auswertungsbogen für 8,30 Euro.

Wie ist das Tool a) theoretisch b) empirisch fundiert?

a)       Theoretische Fundierung:

Der Differenzierte Lesetest – Dekodieren (DiLe-D) dient der Erfassung der Lesefähigkeit von Kindern. Die Lesefähigkeit wird von den Testautorinnen in die Teilkomponenten des Leseverständnisses und der Dekodierfähigkeit unterteilt. Bezüglich der Komponente des Leseverständnisses unterteilen sie in drei Prozessebenen (Text-, Satz-, Wortverständnis), die aufeinander aufbauen. Das Leseverständnis auf Wortebene ist demnach die Basis für jedes tiefere Leseverständnis. Zusätzlich zu der Fähigkeit Wörter zu identifizieren (Buchstaben-Laut-Zuordnung) ist hierzu laut den Autorinnen ein Abgleich mit dem semantischen Lexikon (Wortbedeutung erkennen) notwendig. Dagegen wird unter der Dekodierfähigkeit die basale Fähigkeit verstanden, geschriebenen Buchstaben Laute zuordnen zu können. Des Weiteren baut das Konzept des DiLe-D auf einem kognitiven Verarbeitungsmodell, dem sogenannten Zwei-Wege-Modell des Worterkennens (Coltheart, 2007) auf. Dieses Modell postuliert, dass beim Lesen entweder direkte (top-down) oder indirekte (bottom-up) Zugangsrouten von der lesenden Person genutzt werden. Die lesende Person nimmt die Buchstaben visuell wahr, um daraufhin das Wort direkt auf lexikalischer Ebene erkennen zu können oder es nicht lexikalisch, sondern Schritt für Schritt, zu verarbeiten. Die Autorinnen gehen daher davon aus, dass bei der Bearbeitung des DiLe-D die Kinder zwar im Subtest Wort die jeweiligen Wörter auf lexikalischer Ebene erkennen, sie die Pseudowörter jedoch nicht lexikalisch verarbeiten können. Somit werden im Test beide Formen der Verarbeitung geprüft. Die Konzipierung des DiLe-D basiert auf bekannten, aktuellen Wörtern.

Subtest Wort: Die ausgewählten Wörter entstammen der Datenbank ChildLex (German Children’s Book Corpus), also der laut Autorinnen im deutschen Sprachraum zum Zeitpunkt der Konzipierung aktuellsten zur Verfügung stehenden Wortschatzdatenbank für Kinder im Alter von sechs bis zwölf Jahren. Hierbei handelt es sich um eine Datenbank, die über zehn Millionen Wörter enthält, die die aktuellen Normen der Schriftsprache beachten (vgl. Schroeder, Würzner, Heister, Geyken & Kliegl, 2015). Die Wortlisten sind in drei Altersbereiche aufgeteilt (sechs bis acht Jahre; neun bis zehn Jahre; elf bis zwölf Jahre). Für den Subtest Wort wurden von den Testautorinnen 157 Wörter aus der Altersgruppe sechs bis acht Jahre entnommen. Die Auswahl der Items beruht auf den Kriterien Frequenz, Silbenanzahl, Wortart sowie auf kulturellen und regionalen Aspekten.

Subtest Pseudowort: Um die Generierung der Items für den Subtest Pseudowörter zu vereinfachen, orientierten sich die Autorinnen an bestehenden Tests, die Pseudowörter enthalten, wie dem LeMo 2.0 (Lexikon modellorientiert von Stadie, Cholewa und de Bleser, 2013). Daran orientiert, tauschten die Autorinnen des DiLe-D bei den 157 ausgewählten, bestehenden Wörtern Buchstaben aus. Dadurch bleibt die Länge, Anzahl an Buchstaben und die Schwierigkeit in der Struktur erhalten. Dieses Vorgehen dient der besseren Vergleichbarkeit. Bei der Itemgenerierung wurden immer mindestens die Hälfte der Buchstaben eines bereits existierenden Wortes ausgewechselt um ein Pseudowort zu bilden. Abschließend wurden die 157 ausgewählten Wörter und 157 entwickelten Pseudowörter so sortiert, dass sie von Zeile zu Zeile schwieriger werden.

Das Verfahren kann als theoretisch fundiert gelten.

 b)      Empirische Fundierung:

Für den DiLe-D liegen jahrgangsspezifische Normen für alle Einsatzzeiträume vor. Für die Normstichprobe wurde im Jahr 2015 insgesamt N=2047 Kinder in Deutschland (Nordrhein-Westfalen) und Österreich (Steiermark) untersucht. Hierbei wurden sowohl Kinder mit Deutsch als Erstsprache als auch Kinder mit Deutsch als Zweitsprache berücksichtigt. Für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache liegen gesonderte Normwerte vor (N=682).

Die Objektivität des DiLe-D umfasst die Bereiche Durchführung, Auswertung und Interpretation. Die Durchführungsobjektivität ist durch eine standardisierte Anleitung gegeben. Für die Auswertung liegt eine genaue Beschreibung vor, in der detailgenau erklärt wird, welche Lesefehler als Fehler gewertet und wie die Subtestwerte sowie der Gesamtwert berechnet werden. Die Interpretation wird durch den Vergleich zur Normstichprobe gesichert.

Hinsichtlich des Gütekriteriums der Reliabilität berichten die Autorinnen des DiLe-D ausschließlich die Werte der Retest-Reliabilität. Diese liegen zwischen rtt= .89 und rtt= .97. Zur Bestimmung der Validität wurde die Inhalts- und Konstruktvalidität geprüft. Hierbei wurde die Konstruktvalidität des DiLe-D anhand von konvergenten und divergenten Zusammenhängen mit verschiedenen Tests (z.B. ELFE 1-6) sowie der Einschätzung von Lehrenden bestätigt.

Das Tool kann also als empirisch fundiert bewertet werden.

Alter: 6; 7; 8; 9

Klassenstufe: 1; 2; 3

Links:

Bestellmöglichkeit

https://www.testzentrale.de/shop/differenzierter-lesetest-dekodieren.html [30.04.2024]

Literaturhinweise

Coltheart, M. (2007). Modelling reading: The dual-route approach. In M.J. Snowling & C. Hulme (Eds.), The science of reading: A handbook (pp. 6-23) (Blackwell handbooks of developmental psychology). Malden, MA: Blackwell Pub.

Paleczek, L., Seifert, S., Obendrauf, T., Schwab, S., Gasteiger-Klicpera, B. (2017). Differenzierter Lesetest -Dekodieren. (1. Auflage).

Schroeder, S., Würzner, K.-M., Heister, J., Geyken, A. & Kliegel, R. (2015). ChildLex – Eine lexikalische Datenbank zur Schriftsprache für Kinder im Deutschen. Psychologische Rundschau, 66 (3), 155-165.

Stadie, N., Cholewa, J. & de Bleser, R. (2013). LEMO 2.0 – Lexikon modellorientiert: Diagnostik für Aphasie, Dyslexie und Dysgraphie. Hofheim: NAT-Verlag.

Letzte Änderung am: 27.05.2024

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