Linguistische Sprachstandserhebung – Deutsch als Zweitsprache (LiSe-DaZ)

DiagnoseElementarbereichÜbergang Elementar/PrimarstufePrimarstufe
gelber Punkt Das Verfahren entspricht überwiegend den Minimalstandards. Optimierungsbedarf gibt es bei der Normierung: LiSe-DaZ wurde zur Normierung in viele Normierungsstichproben unterteilt (getrennt nach DaM und DaZ, zusätzlich nach Alter und nach der Dauer der Kontaktmonate mit der deutschen Sprache). Die Folge sind teilweise sehr kleine Normierungsstichproben, die nicht den Minimalstandards entsprechen. LiSe-DaZ kann für entsprechende Fragestellungen bei Kindern mit DaZ, nicht aber mit DaM empfohlen werden; Kinder mit DaM erreichen schnell das Maximum der Anforderungen, was eine Differenzierung der Leistungen dieser Kinder nicht mehr möglich macht. Da es sich um ein Testverfahren handelt, wird eine Anwendung nur durch diagnostisch geschultes Personal empfohlen.

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Bildungsetappe Zielbereich Altersgruppe Durchführbarkeit Theoretische Fundierung Erfüllung der Gütekriterien
Elementar 3 3 bis 7* grüner Punkt grüner Punkt gelber Punkt

Kurzbeschreibung

Preis: 548,00 Euro.

LiSe-DaZ (Linguistische Sprachstandserhebung – Deutsch als Zweitsprache) ist ein förderrelevantes diagnostisches Verfahren, das im Elementarbereich und in der Primarstufe zur Erfassung sprachlicher Fähigkeiten eingesetzt werden kann. In LiSe-DaZ werden die sprachlichen Fähigkeiten von Kindern in den Bereichen Sprachproduktion und Sprachverständnis erfasst. Das Verfahren kann sowohl bei Kindern mit Deutsch als Muttersprache im Alter von 3 bis 6 Jahren sowie bei Kindern mit Deutsch als Zweitsprache von 3 bis 7 Jahren eingesetzt werden. Auf Grundlage der Ergebnisse können konkrete Förderinhalte abgeleitet werden. Bei LiSe-DaZ handelt es sich derzeit um das einzige Testverfahren, für das getrennte Normen für ein- und mehrsprachige Kinder vorliegen und das die Kontaktmonate mehrsprachiger Kinder im Deutschen berücksichtigt.

Letzte inhaltliche Bearbeitung/Prüfung am: 1.4.2020

Welches Ziel hat das Tool?

Bei LiSe-DaZ handelt es sich um ein individualdiagnostisches Verfahren für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache von 3 Jahren bis zum Alter von 7 Jahren und 11 Monaten. Für Kinder mit Deutsch als Erstsprache ist LiSe-DaZ ab 3 Jahren bis zum Alter von 6 Jahren und 11 Monaten einsetzbar. Der Test dient der Sprachstandserhebung und orientiert sich dabei an relevanten Eigenschaften der deutschen Sprache in den Bereichen Sprachproduktion und Sprachverständnis. Mit Hilfe des Verfahrens soll es gelingen, bei Kindern einen unauffälligen Spracherwerbsverlauf zu erkennen und Kinder bei Förderbedarf möglichst früh gezielt fördern zu können. Aus den Testergebnissen von LiSe-DaZ lassen sich konkrete Förderentscheidungen bzw. Förderszenarien ableiten, deren Effekte wiederum durch Wiederholungsmessungen überprüft werden können. LiSe-DaZ lässt sich in den Modulen E1 „Gezielte alltagsintegrierte Sprachbildung“, E3 „Intensive Förderung im Bereich sprachlicher Strukturen“ und E5 „Intensive Sprachförderung durch dialogisches Lesen in der Kleingruppe“ nutzen. Bei 6- und 7-jährigen beschulten Kindern ist er den Modulen P1 „Gezielte sprachliche Bildung in alltäglichen und fachlichen Kontexten“ und P2 „Intensive sprachstrukturelle Förderung“ zuzuordnen.

Für welches Vorhaben kann das Tool eingesetzt werden?

LiSe-DaZ dient dazu, den Sprachentwicklungsstand von Kindern mit Deutsch als Erstsprache sowie Deutsch als Zweitsprache im Altersbereich von 3 bis 7 Jahren zu überprüfen. Neben dem Alter der Kinder wird bei der Auswertung zusätzlich berücksichtigt, wie lange das Kind bereits Kontakt zur deutschen Sprache hat. Auf diese Weise werden die sprachlichen Fähigkeiten von Kindern mit Deutsch als Zweitsprache, die erst wenige Monate Kontakt zur deutschen Sprache haben, nicht an den Sprachfähigkeiten gleichaltriger Kinder gemessen, die mit Deutsch als Erstsprache aufgewachsen sind. So wird vermieden, dass die Sprachfähigkeiten der Kinder mit DaZ unter- bzw. überschätzt werden. Das Hauptaugenmerk des Tests liegt auf der Erfassung grammatischer Kernbereiche, deren Erwerb für die deutsche Sprache wissenschaftlich gut erforscht ist. Neben sprachproduktiven Fähigkeiten (wie z.B. dem Erwerb von Wortklassen) können zudem zentrale Fähigkeiten im Bereich des Sprachverständnisses (z.B. das Verständnis von W-Fragen) erfasst werden. Mit LiSe-DaZ ist es möglich, sprachliche Kompetenzen der Kinder zu erfassen und festzustellen, in welchen Bereichen bei Kindern Förderbedarfe vorliegen. Zudem lässt sich durch die eigenen Normen für die Kinder mit DaZ feststellen, ob sich ein mehrsprachiges Kind sprachlich unauffällig entwickelt oder ob eine Spezifische Sprachentwicklungsstörung (SSES) vorliegt. Aus den Testergebnissen können die Anwenderinnen und Anwender (pädagogische Fachkräfte, Lehrerinnen und Lehrer, Psychologinnen und Psychologen, Logopädinnen und Logopäden, Ärztinnen und Ärzte sowie Sprachwissenschaftlerinnen und Sprachwissenschaftler) konkrete Fördermaßnahmen ableiten und ggf. selbst durchführen. Durch eine Wiederholungsmessung lässt sich der Fortschritt kindlicher Sprachkompetenzen überprüfen.

Wie funktioniert das Tool?

LiSe-DaZ umfasst zwei Module: Sprachproduktion (vier Subtests) und Sprachverständnis (drei Subtests). Bei einigen der Subtests kommt eine Handpuppe zum Einsatz. Die Reihenfolge, in der die einzelnen Subtests durchzuführen sind, ist vorgegeben:

1. Subtest VB (Verstehen der Verbbedeutung), Modul Sprachverständnis

Eine Bilderfolge aus zwei Fotos stellt eine Alltagshandlung dar. Das linke Bild zeigt die Ausgangssituation. Nachdem es betrachtet und vom Testleiter beschrieben wurde, wird das rechte Bild aufgedeckt. Daraufhin folgt eine Frage, die vom Kind mit „ja“ oder „nein“ beantwortet werden soll. Beispiel: Das Foto links zeigt eine weibliche Hand, die ein gefülltes Glas hält. Das Foto rechts zeigt das leere Glas, die Hand ist nicht mehr zu sehen. Die Frage des Testleiters lautet: „Hat sie‘s ausgetrunken?“. Überprüft wird in diesem Subtest das Verständnis für prozessorientierte Verben (z.B. trinken) und endzustandsorientierte Verben (z.B. austrinken).

Die folgenden vier Subtests gehören dem Modul Sprachproduktion an und werden alle anhand einer Bildergeschichte durchgeführt. Im Vorhinein werden die Gegenstände, die in der Geschichte auftauchen, auf Bildkarten gemeinsam mit dem Kind betrachtet und benannt, um sicherzustellen, dass das Kind über den anschließend in der Geschichte verwendeten Wortschatz verfügt. Die Antworten sollen mit einem Audio- oder Videogerät aufgenommen werden, um die spätere Auswertung zu ermöglichen.

2. Subtest SK (Satzklammer), Modul Sprachproduktion

Dem Kind werden insgesamt 18 Fragen zu den Bildern einer Bildergeschichte gestellt, die mit Aussagesätzen (also nicht mit ja oder nein) zu beantworten sind. Relevant für die Auswertung ist die Position des Verbs im Satz. Jede Antwort wird einer von vier Entwicklungsstufen zugeordnet.

3. Subtest SVK (Subjekt-Verb-Kongruenz)

Dieser Subtest wird nur durchgeführt, wenn im Subtest SK mindestens die Stufe III erreicht wurde. Es wird überprüft, ob das Kind in seinen Aussagen Subjekt und Verb grammatisch richtig in Übereinstimmung gebracht hat (z.B. die richtige Formulierung: „Die Kinder spielen mit dem Ball.“; falsche Formulierung: „Die Kinder spielt mit dem Ball.“).

4. Subtest WK (Wortklassen), Modul Sprachproduktion

Die vom Kind geäußerten Wörter werden bestimmten Wortklassen zugeordnet und ausgezählt. So wird überprüft, ob das Kind verschiedene Wortklassen kennt, die für den Aufbau von Sätzen wichtig sind. Hierzu gehören zum Beispiel Vollverben (z.B. spielen, essen), Hilfsverben (z.B. haben) oder Modalverben (z.B. können, müssen), daneben auch Konjunktionen (z.B. dass, wenn) und Präpositionen (z.B. auf, unter).

5. Subtest KAS (Kasus), Modul Sprachproduktion

Acht Fragen, die dem Kind zu der Bildergeschichte gestellt wurden, erfordern bestimmte Kasusformen (viermal Akkusativ, fünfmal Dativ). Die richtig gebildeten Formen werden gezählt.

Die beiden letzten Subtests sind wieder dem Modul Sprachverständnis zugeordnet:

6. Subtest WF (Verstehen von W-Fragen), Modul Sprachverständnis

Das Kind soll zu insgesamt zehn Abbildungen Wer-, Wem-, Wen-, Womit- und Wann-Fragen beantworten. Auf diese Weise wird überprüft, ob das Kind Fragen nach unterschiedlichen Satzgliedern (z.B. Fragen nach dem Subjekt oder Objekt) verstehen kann.

7. Subtest NEG (Verstehen von Negationen), Modul Sprachverständnis

Bei diesem Untertest hat das Kind die Aufgabe, zu bewerten, ob Verneinungssätze ein Bild zutreffend beschreiben oder nicht. Bewertet wird die Anzahl der richtigen Einschätzungen. Mit dem Subtest wird festgestellt, ob ein Kind versteht, ob Verneinungen auf bestimmte Situationen zutreffen oder nicht.

Die Auswertung erfolgt, indem die erreichten Punktzahlen zusammengezählt und in Tabellen – getrennt für jeden einzelnen Subtest – in T-Werte und Prozentränge bzw. Prozentangaben (Subtest SK) umgewandelt werden. Es müssen neben dem Alter des Kindes noch die Anzahl der Kontaktmonate mit der deutschen Sprache berücksichtigt werden.

Hinweise zur anschließenden Sprachförderung werden für jeden einzelnen Untertest separat gegeben, so dass individuelle Förderbedarfe gezielt und individuell bearbeitet werden können. Es werden konkrete Förderszenarien genannt, die sich in der Alltagskommunikation oder in Spielsituationen ohne nennenswerten materiellen Aufwand umsetzen lassen. Als grundlegend für alle Bereiche gilt ein kooperatives Sprachverhalten, d.h., dass in der Kommunikation mit dem Kind ein kompetenter Sprecher der deutschen Sprache das Gesagte des Kindes aufnimmt und darauf reagiert.

Zum besseren Verständnis dessen, was unter einem „Förderszenario“ zu verstehen ist, wird im Folgenenden ein Beispiel aus dem Modul „Sprachförderung“, Subtest „Kasus (KAS)“ vorgestellt:

Die Kinder dürfen einer männlichen und einer weiblichen Puppe etwas aus einem bereitgestellten Körbchen schenken. Erwachsener: „Was gibst Du dem Mädchen?“ Kind: “Ball“ Erwachsener: „Den (bunten) Ball bekommt sie von dir? Prima, gib ihr den Ball mal. Und was willst du dem Jungen geben? Kind: „Das Rose.“ Erwachsener: „Dem Jungen gibst du die wunderschöne Rose? Über die Rose wird der sich sicher sehr freuen. (Beispiel aus LiSe-DaZ Manual, Schulz & Tracy, 2011, S. 75)

Was wird benötigt, um das Tool umzusetzen?

Material: Zur Durchführung wird LiSe-DaZ benötigt (s. Zugänglichkeit), bestehend aus: Manual, 10 Protokollbogen A Sprachproduktion DaZ (Deutsch als Zweitsprache) und DaM (Deutsch als Muttersprache), 10 Protokollbogen B Sprachproduktion DaM und DaZ, 10 Protokollbogen Sprachverständnis DaM und DaZ, Lexikonkarten, Bildkarten Sprachproduktion (SK, SVK, WK, KAS), Bildkarten Sprachverständnis VB Verbbedeutung, Bildkarten Sprachverständnis NEG Negation, Bildkarten Sprachverständnis WF Einfache W-Fragen, Handpuppe Schnecke und Box. Die Durchführung dauert ca. 20 bis 30 Minuten, die Auswertung noch einmal genauso lange.

Empfohlen wird ein Audio- oder Videogerät zum Aufzeichnen der kindlichen Äußerungen.

Schulung: Das Tool ist verständlich gestaltet, eine externe Schulung ist nicht notwendig. Insbesondere für die Auswertung des Verfahrens sind jedoch Vorkenntnisse über linguistische Begrifflichkeiten und Konzepte hilfreich. Für Interessierte werden von Mitarbeiterinnen des Mannheimer Zentrums für empirische Mehrsprachigkeitsforschung (MAZEM) sowie von MitarbeiterInnen der Informations- und Forschungsstelle Deutsch als Zweitsprache (Info-DaZ) der Goethe-Universität Frankfurt Fortbildungen angeboten (s. Links). Daneben sollten Anwenderinnen und Anwender des Tests sich im Vorhinein gut mit den Materialien, den Instruktionen und dem Ablauf vertraut machen und ggf. mit einer Testperson üben.

Kosten: Das Verfahren LiSe-DaZ kostet 465,00 Euro.

Zugänglichkeit: Das Tool LiSe-DaZ von Petra Schulz und Rosemarie Tracy ist bei der Hogrefe-Testzentrale erhältlich (s. Links).

Wie ist das Tool a) theoretisch b) empirisch fundiert?

a) theoretische Fundierung

Das Instrument LiSe-DaZ wurde von den Spracherwerbsforscherinnen Prof. Dr. Petra Schulz von der Goethe-Universität Frankfurt und Prof. Dr. Rosemarie Tracy von der Universität Mannheim entwickelt.

Die Grundidee und der Aufbau von LiSe-DaZ basieren auf aktuellen Erkenntnissen der Linguistik, der Spracherwerbs- und der Mehrsprachigkeitsforschung (für einen Überblick siehe Schulz & Grimm, 2012). Sprache wird als ein komplexes System verstanden, dessen verschiedene Teilbereiche (z.B. Satzbau, Semantik) jeweils eigenen Regeln unterliegen. Durch die angeborene menschliche Fähigkeit zum Spracherwerb und der kommunikativen Anregung, die Kinder von Anfang an erhalten, können sie sich die Grundstrukturen ihrer Erstsprache in der Regel innerhalb von kurzer Zeit mühelos aneignen. An diesen sprachlichen Kompetenzen knüpft LiSe-DaZ an. Im Verfahren werden grammatische Kernbereiche des Spracherwerbs erfasst, die sich durch Regelkonstruktion und nicht durch rein erfahrungsbasiertes Lernen auszeichnen. Der Spracherwerbsverlauf ist für viele regelgeleitete Bereiche im Deutschen gut erforscht, weshalb sie sich zur Erfassung im Rahmen der Sprachdiagnostik besonders gut eignen (Schulz & Grimm 2012; Thoma & Tracy, 2006). So gibt es zwar große interindividuelle Unterschiede beim Erwerb von Wörtern, da dieser stark erfahrungsabhängig ist. Bei regelgeleiteten Bereichen des Spracherwerbs hingegen erwerben die Kinder implizites sprachliches Wissen beispielsweise darüber, wo in deutschen Sätzen die finiten Verben stehen oder dass Verb und Subjekt in deutschen Sätzen immer formal übereinstimmen („Ich koche“, „er kocht“, „wir kochen“ etc.).

Aktuelle Erkenntnisse aus der Sprachwissenschaft belegen, dass auch Kinder bei einem frühen Kontakt mit Deutsch als Zweitsprache (also zwischen dem dritten und fünften Lebensjahr) in wesentlichen Bereichen der Grammatik die gleichen Erwerbsphasen durchlaufen wie einsprachig deutsche Kinder (Thoma & Tracy, 2006). So konnte beispielsweise im Bereich der Morphosyntax bei Kindern mit Deutsch als Erstsprache und Kindern mit Deutsch als Zweitsprache ein ähnlicher Erwerbsverlauf anhand der gleichen Meilensteine festgestellt werden (ebd.; Tracy, 2008). Hingegen wurde bei mehrsprachigen Kindern mit einer spezifischen Sprachentwicklungsstörung (Rothweiler et al., 2012; Schwarze et al., 2015) belegt, dass diese Strukturen von ihnen erheblich langsamer und häufig qualitativ anders erworben werden.

Indem kindliche Äußerungen vor dem Hintergrund aktueller Erkenntnisse zum Zweitspracherwerb ausgewertet werden, können Rückschlüsse auf die sprachlichen Kompetenzen sowie auf etwaige Förderbedarfe der Kinder gewonnen werden. Wenn pädagogische Fachkräfte also wissen, auf welchem Entwicklungsstand sich ein Kind gerade befindet, können sie ihm in der Förderung einen Input anbieten, der ihm beim Entdecken sprachlicher Regeln unterstützt. Hat das Kind beispielsweise bereits die Struktur deutscher Hauptsätze erworben, arbeitet jedoch noch am Erwerb von Nebensätzen, bietet sich eine Förderung an, in welcher Haupt- und Nebensätze kontrast- und variationsreich dargeboten werden („Willst du wissen, was ich gleich mache?“; „Ich gehe in den Garten, weil die Sonne scheint“). Auf diese Weise erhält das Kind die Möglichkeit, die unterschiedliche Stellung des finiten Verbs in Haupt- und Nebensätzen wahrzunehmen und sich die zugrunde liegende Regel zu erschließen (Tracy, 2008; Tracy & Schulz, 2012). Nach Ansicht der Autorinnen kann eine linguistisch fundierte und individuelle Diagnostik sowie eine sich daran anschließende Förderung dazu beitragen, Kindern mit Deutsch als Zweitsprache den Erwerb der deutschen Sprache zu erleichtern.

b) empirische Fundierung

Über einen Zeitraum von ca. drei Jahren wurden vier Testvorformen entwickelt und an insgesamt 851 Kindern mit Deutsch als Zweitsprache und 306 Kindern mit Deutsch als Muttersprache erprobt. Für die Normierung wurden zum einen 609 Kinder mit Deutsch als Zweitsprache im Alter von 3 Jahren bis 7 Jahren und 11 Monaten getestet, die mit frühestens 24 Monaten und spätestens 47 Monaten den ersten systematischen Kontakt zur deutschen Sprache hatten. Differenziert wurde nach dem Alter in Jahren und innerhalb eines Jahrgangs noch nach der Dauer des Kontakts mit der deutschen Sprache. Die Größe der Normierungsstichprobe variierte nach diesen Kriterien zwischen 45 und 126 Kindern. 303 Kinder mit Deutsch als Muttersprache im Alter von 3 Jahren bis zum Alter von 6 Jahren und 11 Monaten wurden zudem für die Normierung an einsprachigen Kindern herangezogen. Hier lag die Stichprobengröße zwischen 63 und 88 Kindern pro Lebensalter. Kinder beider Gruppen wurden in acht verschiedenen Bundesländern untersucht. Bezüglich der Erstsprache wurde keine Differenzierung getroffen: Die Verteilung der Erstsprachen entspricht den Angaben des Statistischen Bundesamtes, Türkisch und Russisch waren als Erstsprache der Kinder am häufigsten vertreten.

Da in LiSe-DaZ die Normierungsstichprobe getrennt nach DaM und DaZ, zusätzlich nach Alter und nach der Dauer der Kontaktmonate mit der deutschen Sprache in viele einzelne Stichproben unterteilt wurde, liegen teilweise kleine Normierungsstichproben vor, die nicht den Minimalstandards entsprechen.

Das Testgütekriterium Objektivität ist bei genauer Beachtung der Durchführungsanleitung erfüllt.

Das Testgütekriterium Reliabilität wurde durch die interne Konsistenz ermittelt. Reliabilitätsberechnungen zeigen zufriedenstellende Werte und liegen für die drei Untertests VB, WF und NEG (Modul Sprachverständnis) vor. Die interne Konsistenz liegt bei Kindern mit Deutsch als Zweitsprache im Durchschnitt bei .72, für Kinder mit Deutsch als Erstsprache bei .70. Für die Untertests des Moduls Sprachproduktion wurden keine Reliabilitätsberechnungen durchgeführt.

Die Validität (misst der Test tatsächlich das, was er zu messen vorgibt?) wird zum einen in Form der Inhaltsvalidität als gegeben angesehen. Durch die zugrunde liegende linguistische Theorie und die spracherwerbstheoretische Fundierung ist gewährleistet, dass sämtliche Testskalen Phänomene erfassen, die für die Zielsprache Deutsch und in der Spracherwerbsforschung gut erforscht sind. Zum anderen wurde die Konstruktvalidität ermittelt, indem der Zusammenhang zwischen den verschiedenen Subtests untersucht wurde. Konstruktvalidität ist belegt durch die positiven und hochsignifikanten Korrelationen jeweils innerhalb der Untertests für Verständnis und Produktion, die für DaZ zwischen r=.19 und r=.62 liegen und für DaM zwischen r=.03 und r=.44. Die Autorinnen weisen darauf hin, dass die Heterogenität innerhalb der Skalen Verständnis und Produktion erwartbar ist, da die einzelnen Subtests jeweils unterschiedliche linguistische Bereiche erfragen. Validität zeigt sich nach Ansicht der Autorinnen auch in der Entwicklungssensitivität. Alle Untertests korrelieren positiv und hochsignifikant mit dem Alter. Wie erwartet besteht mit der non-verbalen Intelligenz nur ein geringer Zusammenhang. Geschlecht, Wohnumfeld, Geschwisterposition und Schulbildung der Mutter lassen keine systematischen Leistungsunterschiede erkennen, so dass sich das Verfahren dazu eignet, sprachliche Fähigkeiten der Kinder unabhängig von diesen äußeren Faktoren beurteilen zu können.

Mit welchen anderen Tools ist dieses Tool kombinierbar?

Sprache macht stark!

Alter: 3; 4; 5; 6; 7

Klassenstufe: Kita; 1; 2

Verbünde, die dieses Tool nutzen:

Links:

Seite der Hogrefe Testzentrale mit Bestellmöglichkeit für das Verfahren
https://www.testzentrale.de/shop/linguistische-sprachstandserhebung-deutsch-als-zweitsprache.html [10.11.2020]

Informationen zu LiSe-DaZ auf der Seite der Baden-Württemberg-Stiftung:
https://www.sagmalwas-bw.de/lise-daz/ [10.11.2020]

Video mit Beschreibung und Erklärung der Durchführung und Auswertung von LiSe-DaZ:
https://www.youtube.com/watch?v=Qk_s0rgejag [10.11.2020]

Artikel von P. Schulz zur Sprachdiagnostik bei mehrsprachigen Kindern:
https://www.thieme.de/statics/dokumente/thieme/final/de/dokumente/tw_logopaedie/Weiterbildung_Mehrsprachigkeit_Schulz_SSG_4_13.pdf [10.11.2020]

Artikel von R. Tracy zu Meilensteinen des Spracherwerbs:
http://www.ids-mannheim.de/prag/sprachvariation/fgvaria/Info-Spracherwerb-2002.PDF [10.11.2020]

Informationen zu Fortbildungen zu LiSe-DaZ:
https://www.mazem.de/index.php?id=46 [20.01.2020]
https://www.uni-frankfurt.de/44201567/Knowledge-Transfer [10.11.2020]

Literaturhinweise

Rothweiler, M., Chilla, S. & Clahsen, H. (2012). Subject verb agreement in specific language impairment: A study of monolingual and bilingual German-speaking children. Bilingualism: Language and Cognition 15, 39-57.

Schulz, P. & Tracy, R. (2011). Linguistische Sprachstandserhebung – Deutsch als Zweitsprache. Göttingen: Hogrefe.

Schulz, P. & Grimm, A. (2012). Spracherwerb. In H. Drügh, S. Komfort-Hein, A. Kraß, C. Meier, G. Rohowski, R. Seidel et al. (Hrsg.), Germanistik. Sprachwissenschaft – Literaturwissenschaft – Schlüsselkompetenzen (S. 155–172). Stuttgart: Metzler.

Schwarze, R., Wojtecka, M. Grimm, A. & Schulz, P. (2015). Finiteness and verb placement in early second language learners with SLI. In Hamann, C. and Ruigendijk, E. (Eds.). Language Acquisition and Development: Proceedings of GALA 2013 (S. 429-445). Cambridge Scholars Publishing.

Thoma, D. & Tracy, R. (2006). Deutsch als frühe Zweitsprache: zweite Erstsprache? In B. Ahrenholz (Hrsg.), Kinder mit Migrationshintergrund: Spracherwerb und Fördermöglichkeiten (S. 58–79). Freiburg: Fillibach.

Tracy, R. (2008). Wie Kinder Sprachen lernen. Und wie wir sie dabei unterstützen können. Tübingen: Francke.

Tracy, R. & Schulz, P. (2012). Ein neuer Sprachtest: Linguistische Sprachstandsdiagnostik Deutsch als Zweitsprache (LiSe-DaZ). Frühe Bildung, 1(2), 111-113.

Tracy, R. & Thoma, D. (2009). Convergence on finite V2 clauses in L1, bilingual L1 and early L2 acquisition. In P. Jordens & C. Dimroth (Hrsg.), Functional categories in learner language (S. 1–43). Berlin: Mouton de Gruyter.

Hinweis:
Die Verfahren (Tools), die Sie hier finden, werden in der Bund-Länder Initiative Bildung durch Sprache und Schrift (BiSS) eingesetzt und wurden bislang aus wissenschaftlicher Sicht als empfehlenswert identifiziert. Aspekte der praktischen Anwendbarkeit werden in der Projektlaufzeit ergänzt. Verfahren mit einer grünen Kennzeichnung genügen wissenschaftlichen Minimalstandards. Verfahren mit einer gelben Kennzeichnung genügen überwiegend diesen Minimalstandards zeigen jedoch Optimierungsbedarfe, auf die in vorangestellten Anmerkungen hingewiesen wird.
Bei den hier aufgeführten Verfahren handelt es sich keineswegs um eine erschöpfende Bewertung aller in BiSS verwendeten Verfahren oder gar sämtlicher verfügbarer Verfahren, sondern um einen VORLÄUFIGEN Stand, der diagnostische Tools berücksichtigt. Eine kriteriale Empfehlungsgrundlage für Förder-Tools wurde ebenfalls im Trägerkonsortium erarbeitet und ist in den Tabellen Qualitätscheck der Förderkonzepte und Förderinstrumente einsehbar.

Letzte Änderung am: 17.01.2024

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